Kulissengespräch mit Prof. Dr. Kurt Tudyka
Tempo, Ausdauer und Disziplin, Mitstreiter gelegentlich links überholend, diese Eigenschaften zeichnen Sie und auch Spitzensportler aus. In welcher Sportdisziplin würden Sie sich am ehesten wiederfinden und warum?
Mannschaftsrudern, es ist Wettbewerb, erfordert Zusammenwirken, Disziplin und Taktik, bietet Erlebnisse auf dem Wasser in freier Natur verschiedenartig zu fast allen Tages- und Jahresszeiten.
„Wem gehört die Welt“, so ein von Ihnen veröffentlichter Buchtitel, wem gehört Sie nun und ergänzend hierzu, wem gehört das Städtische-Theater?
Der aufgeklärten Menschheit, geerbt, um sie folgenden Generationen weiter zu vererben. Dem öffentlichen Theater in den Händen der Aufklärer kommt hierbei, – neben anderen Einrichtungen -, eine zentrale kontinuierliche Aufgabe der aufklärenden Bildung und vertiefenden Einsichten zu, von Generation zu Generation.
Dank Ihrer initiierten Unterschriftenaktion haben Sie seinerzeit den Befürwortern „Schließung der Kammerspiele“ , das Leben schwer gemacht. Der damalige Intendant Klaus Weise adelte den darauf von Ihnen gegründeten Verein FdK als „ die Kammerjäger“, was bewog Sie damals, zumal als zugereister „Neubürger Bonns“, sich so vehement um den Erhalt dieses Hauses zu bemühen?
Mein Motiv entsprang der Fassungslosigkeit über die Erwägungen, das Bestehen und öffentliche Wirken einer bewährten Einrichtung der kulturellen Bildung, der intelligenten Aufklärung in Form kreativer und künstlerischer Arbeit an ihrem Ort in Frage zu stellen sowie die Stadt Bonn kulturell zu zentralisieren.
Quer durch Deutschland reisend, keine nennenswerte Theaterproduktion auslassend, wodurch wurde Ihre Theaterleidenschaft geweckt und welche Theaterinszenierung bleibt Ihnen als unvergessliches Erlebnis in Erinnerung ?
Am Anfang standen die Chance und Gelegenheit selbst mitzuspielen, und daraufhin erwuchs der Wunsch, Regisseur zu werden. Viele von meinen 572 besuchten Aufführungen des Schauspiels sind mir unvergesslich geblieben, um fünf zu nennen: Bertolt Brecht, „Mutter Courage“ 1957 am Schiffbauerdamm in Berlin, Peter Weiss „Die Ermittlung“ 1965 an der Freien Volksbühne in Berlin, Heiner Müller, „Germania“ 1978 an den Münchner Kammerspielen, Heinrich von Kleist, „Die Herrmannsschlacht“ 1984 in Bochum, Thomas Bernhard „Heldenplatz“ 1996 am Burgtheater Wien, Elfriede Jelinek, „Die Kontrakte des Kaufmanns“ 2009 in Köln, Heinrich von Kleist, „Michael Kohlhaas“ 2012 in Bonn.
Wie sieht das Theater der Zukunft für Sie aus?
Entweder es verfällt weiter dem Trend zu Dokumentationstheater, Performance und Comedy, oder es besinnt sich auf seine literarische Tradition und gibt wieder durch seine Interpretation dem Geist, Inhalt und der Bedeutung des Wortes dessen zentrale Stellung.
Prof. em. Dr. Kurt P. Tudyka, geb. in Oberschlesien, studierte nach einer Ausbildung zum Industriekaufmann zunächst Theaterwissenschaft und Volkswirtschaft, später Politikwissenschaft in Köln, Erlangen und Boulder/Colorado. Während seines Forschungsaufenthaltes an der Harvard University wurde er 1971 auf den Lehrstuhl für Politische Wissenschaft an der Radboud Universität Nijmegen/Niederlande berufen. Als Gastprofessor und Dozent lehrte und forschte er an verschiedenen in- und ausländischen Unversitäten (u.a. in Berlin, Mainz, Hamburg, Münster, Osnabück, Breslau, Lublin, Wien, Klagenfurt, Alborg, Venedig, Ottawa, Oxford, Newark/Delaware, Washington/DC). Er gehörte zu den Mitbegründern des fränkischen Jazzclub „strohalm“, der Arbeitsgemeinschaft Friedens- und Konfliktforschung, die er als Vorsitzender mehrer Jahre leitete, des European University Center for Peace Studies in Östereich, der „GRÜNEN“ am Niederrhein. Er war Chefredakteur des OSZE-Jahrbuches. Er kuratierte das Programm „Utopias Dienstag“ des Theater Bonn, war Mitbegründer der Gesellschaft „Freunde der Kammerspiele “ in Bonn, die er zehn Jahrs als Vorsitzender leitete.
Angela Biller Interview, Fotos