Herrmann und Telöken

Kulissengespräch mit Tabea Herrmann und Rebecca Telöken

„Jugendredakteure erzählen Theater aus ihrer Perspektive“, so beschreiben Sie u.a. Ihr Engagement für das Theater  was dann auch  zur Gründung der Internetplattform „Theatral“ führte. Wodurch wurde Ihr Interesse zum Theater geweckt und wann entstand der Gedanke den Blog ins Netz zu stellen?

RT
Mein Interesse am Theatern wurde irgendwann in der Mittelschule geweckt, als die damalige Oberstufe den eingebildeten Kranken von Moliere zeigte und mein Vater mit mir die Vorstellung besuchte. Ich war ganz fasziniert. Zwar war es eine klassische Vorstellung, wie man sie sich denken kann, aber es war so spaßig. In meiner Erinnerung waren die Schüler so überzeugend, dass ich es am liebsten gleich noch einmal gesehen hätte und richtig enttäuscht war, dass es sich um eine einmalige Aufführung handelte. Danach war es vor allem meine Mutter, die immer wieder Rezensionen in der Zeitung gelesen und uns Karten für neuere Stücke besorgte, bis sie schließlich jedem meiner Geschwister und mir eine Young & More Karte zum Geburtstag schenkte. Richtig leidenschaftlich zum Theater gegangen, bin ich aber erst in den letzten Jahren kurz vor dem Uni-Abschluss. Ich glaube das Schlüsselstück war „Waffenschweine“ oder „Leonce und Lena“, da bin ich mir nicht mehr ganz sicher. Der Gedanke den Blog ins Netz zu stellen entstand nach unserer ersten (und bisher letzten) Print-Ausgabe nach dem ersten SAVE THE WORLD Festival. Der logistische und organisatorische Aufwand war einfach zu groß, die Jungredakteurinnen haben wahnsinnig viel Vorarbeit geleistet. Das wollten wir in Zukunft vermeiden, damit kein ungewollter Druck bei den Schreiber/innen entsteht.

TH
Für mich begann das Interesse am Theater relativ klassisch über meine Eltern, so ist meine Mutter oft mit mir ins Junge Theater Bonn gegangen. Zwischendurch sank das Interesse natürlich auch mal, aber ich fand z.B. auch Theatervorstellungen in der Schulzeit fast immer interessant. Während dem Abi bzw. zu Beginn des Studiums bin ich dann auch mit Freundinnen von mir, die sich auch im Bereich des Theaters engagierten, gemeinsam ins Theater gegangen. Über eine dieser Freundinnen habe ich auch die Redaktion von Theatral gefunden. Nach dem ersten SAVE THE WORLD – Festival haben wir uns dann dazu entschieden statt einer Print-Berichterstattung einen Blog zu betreiben. Dadurch sank der Aufwand und man konnte erst einmal entspannter arbeiten, da es keine zwingenden Deadlines für den Druck gab. Daneben hat ein Blog auch den Vorteil, dass wir unsere Zielgruppe wohlmöglich besser über das Internet erreichen.

 

Regelmäßig  rezensieren  Sie in Ihrem Blog Stücke des Theater Bonns, erzählen Sie ein bisschen über Ihre Vorgehens- bzw.  Herangehensweise  und wer sind Ihre Mitstreiter?

TH
Kernstück unserer Vorgehensweise sind die regelmässigen Redaktionstreffen mit allen Mitstreitern. Wir sind eine kleine Redaktion mit (Oberstufen-)Schülerinnen und Studentinnen. Alle eint ein besonderes Interesse am Theater und der Wunsch selber zu schreiben. Während dieser Treffen schauen wir, welche Veranstaltungen wir im nächsten Monat besuchen wollen und wer welche Vorstellung übernimmt. Zu einer Premiere gehen wir meistens in Zweier-Teams, so können unerfahrenere Redakteure von den „Alten Hasen“ lernen und man kann sich über das erlebte Stück austauschen und dabei vielleicht noch einmal neue Ideen bekommen. Zusammen wird dann eine Rezension geschrieben. Dabei können auch manchmal etwas andere sprachliche Formulierungen benutzt werden, als man es vielleicht von Schule oder Uni kennt – man kann kreativer werden. Die so entstandenen Rezensionen werden Korrektur gelesen und dann mit Fotos des Theaters online gestellt.

RT
Vielleicht zuerst zur letzten Frage: Unsere Mitstreiterinnen sind hauptsächlich Studierende, aber auch Schüler aus der Oberstufe. Sie haben z.T. bereits im Jugendclub des Theater Bonn mitgewirkt und wollten nun noch einmal die Perspektive wechseln. Viele sind vorher schon gern ins Theater gegangen und wollten sich jetzt noch einmal eingehender mit den Inszenierungen beschäftigen. Wenn man über ein Stück schreiben soll, verändert sich die Art das Stück anzugucken. Da wären wir auch schon bei Ihrer ersten Frage, wie gehen wir vor? Im besten Fall schicken wir zwei aus unserem Team zur Premiere. Wir erhalten kostenlose Pressekarten vom Theater Bonn. Warum zu zweit? Zum einen ist das für die jüngeren oder noch etwas unerfahreneren Schreiber/innen eine große Hilfe, wenn sie nicht gleich ganz allein auf eine Inszenierung losgelassen werden. Zum anderen sehen vier Augen mehr als zwei. Zugleich müssen sich die beiden hinterher darüber einig werden, wie sie das Stück fanden, was oder wer ihnen besonders gut gefallen hat und warum, dann natürlich wie der Aufbau des Artikels aussehen soll usw. Manchmal, wenn sie sich nicht einigen können, können sie sogar getrennte Kritiken verfassen, diesen Luxus kann sich unser Blog leisten im Gegensatz zu einer normalen Zeitung. Es gibt auch immer die Möglichkeit Rücksprache mit uns Chefredakteuren zu halten, wenn man sich nicht sicher ist, was man oder wie man etwas schreiben soll. Ich habe bereits einen groben Leitfaden erstellt, an dem sich die Redakteure orientieren können, aber nicht müssen, denn sie sollen auch gerne versuchen, etwas aus den bereits bekannten Rahmen der Rezensionen auszubrechen. Das soll natürlich nicht in Beliebigkeit ausarten, daher werden alle Artikel nachher noch einmal von einer Kollegin und mir Korrektur gelesen – sowohl grammatikalisch als auch inhaltlich und schwierige Stellen besprochen. Die Fotos stellt übrigens normalerweise das Theater. Bei Sonderveranstaltungen, wo es manchmal keine Pressefotos gibt, müssen sich die Redakteure aber auch etwas ausdenken, also freie themenverwandte Bilder im Internet suchen o.ä

 

Regietheater, performiertes-  oder klassisches Repertoire Theater, wann halten Sie ein Theaterstück aus Ihrer Sicht  für gelungen und warum?

RT
Uff, das ist eine sehr schwierige Frage, da ich eigentlich immer umgekehrt vorgehe. Ich habe also keinen Maßstab, den ich auf jedes Stück anlege, sondern ich sehe mir erst das Stück an und überlege dann, ob die Art und Weise der Umsetzung mir gefallen hat. Das ist dann völlig losgelöst von der Sparte oder Art. Es muss eben alles zusammenpassen, am allerbesten sollte es mich überraschen oder zum Nachdenken anregen, aber wie gesagt, das kann man vorher nicht festlegen. Ich vermeide auch deswegen häufiger die „Zielsetzungen“ in den Ankündigungstexten zu lesen, da diese zwar hilfreich sein können, aber ich lieber selbst schaue, was das Stück mir gegeben hat und wenn es vielleicht auch einfach nur unterhaltsam oder ästhetisch ansprechend war. Es arbeiten ja wahnsinnig viele verschiedene Menschen an diesem Stück, nicht nur Regisseure, Schauspieler, Dramaturgen und Assistenten, vielleicht machte mir auch das ausgeklügelte Bühnenbild Freude.

TH
Ich habe persönlich keine bestimmte Form von Theater, die ich als DIE EINE bezeichnen würde. Wichtig finde ich immer eine gewisse Verständlichkeit dessen was auf der Bühne passiert, so dass man auch folgen kann, wenn man sich mit dem zugrundeliegenden Stück vielleicht noch nicht intensiv beschäftigt hat. Persönlich halte ich es für wichtig, dass Theater auch aktuelle gesellschaftliche Fragen behandelt ohne dabei zu abstrakt zu werden. Wenn das Publikum aus einer Vorführung rausgeht und ins Nachdenken gekommen ist, hat Theater einiges erreicht und ist seiner Aufgabe gerecht geworden. Ganz banal würde ich mich dazu auch als ein Fan von guten Geschichten  und schönen Bildern bezeichnen – manchmal reichen also schon ganz kleine Dinge, um mich von einem Stück  zu begeistern.

 

Allenthalben, auch bei den Freunden der Kammerspiele, wird über das mangelnde Interesse der Jugend am Theater geklagt. Nur eine subjektive Meinung? Schulstress, Klausurenstress, Arbeitsstress, erklärbare Gründe? Stundenlang aber  bei Facebook und Co unterwegs zu sein widerspricht ja eigentlich dieser These,   liegt es vielleicht am Theater  selber und wie müsste sich das Theater aufstellen um regelmäßig mehr jugendliches Publikum  zu gewinnen?

TH
Ich glaube, dass Theater könnte mehr Jugendliche gewinnen, wenn es sie gezielter ansprechen würde. Also nicht über die Pflicht-Schulveranstaltung die Jugendlichen versuchen zu motivieren, sondern vielleicht in Räumen wie den sozialen Netzwerken vermehrt aktiv sein, um diese Zielgruppe zu erreichen. Dazu kommt, dass viele Stücke vielleicht auch zu wenig mit der Lebensrealität der Jugendlichen zu tun haben – vielleicht ist das ein Anknüpfungspunkt für Inszenierungen, dass man deutlich macht „Hey die Geschichte, die wir hier erzählen, die könnte auch für dich relevant sein.“

Neben all diesen Möglichkeiten mehr Jugendliche zu gewinnen, sollte natürlich nicht vergessen werden, dass es ja bereits jetzt viele gibt, die sich im Bereich des Theaters engagieren z.B. im Kinder- und Jugendchor.

RT
Dass die Jungend für viele Arten von Kulturveranstaltungen wenig Interesse zu haben scheint, wird ja überall beklagt. Ich denke aber, dass es gar nicht das Interesse ist, sondern eher das Problem, dass ein „Initiator“ fehlt. Ich kenne das aus meinem Freundeskreis: An sich gibt es sehr viele, die gerne ins Theater gehen (würden), aber wenn es dann um die Organisation geht, wird es schwierig. Ich war oft diejenige, die die Doodle-Umfragen erstellt und dann sofort die Karten gekauft hat, da sonst wieder irgendjemand plötzlich doch wieder etwas anderes an den Tag vorhatte. Allein geht man nicht gerne ins Theater, genauso wie nicht viele Menschen alleine ins Kino gehen.
Bei anderen ist es aber auch eine gewisse Distanz zu diesem Medium, man hört dann immer so komische Sachen, was da auf der Bühne passiert und dann sind die Themen vielleicht auch einfach nicht gerade nah genug an der Lebenswelt vieler Jugendlicher. Ich könnte mir auch vorstellen, dass viele auch gar nichts von bestimmten Veranstaltungen wissen, denn wo werden sie beworben? Auf der theatereigenen Twitter/fb etc. Seite, in der Zeitung (welcher Jugendliche liest regelmäßig Zeitung?) und auf Plakaten. Von den Plakaten mal abgesehen, müsste man herausfinden, wie Jugendliche besser auf diese Veranstaltungen aufmerksam gemacht werden können. Vielleicht muss man in diesem Bereich auch etwas an die Räumlichkeiten denken. Was spricht Jugendliche an?

Ansonsten halte ich tatsächlich Schulen für sehr wichtig, um auch diejenigen Jugendliche anzusprechen, die ohne einen elterlichen Bezug zu dieser Kultur aufwachsen. Allerdings halte ich widerum das Vorgehen der Lehrer die Klassen immer nur zu einem zum Unterricht passenden Stück ins Theater zu „schleppen“, und dann gleich immer mit 30 Schülern auf einmal, für weniger sinnvoll. Kleinere Gruppen, die sich vielleicht selbst Stücke aussuchen können und dann in der Klasse berichten, was sie gesehen haben und wie es war, würde möglicherweise viel mehr Neugierde wecken. Auf diese Weise machen ja die Schüler selbst untereinander Werbung für die Stücke.

 

Und wie sieht das Theater der Zukunft für Sie aus?

RT
Tatsächlich halte ich mich nicht für den Menschen, der so etwas definieren kann. Ich kann mir nur bestimmte Dinge wünschen und das wäre zum einen, dass man sich wieder mehr traut ungewöhnliche Ort oder Räume für das Theater zu suchen. Ich bin vielleicht deswegen kein Freund eines neuen Festspielhauses, da hier die räumlichen Möglichkeiten vielleicht technisch besser zugleich aber auch wieder in einem konservativem Mileu angesiedelt wäre. Die Kreativität entfaltet sich meiner Meinung nach doch am besten, wenn man mit Mängeln, im Sinne von eben nicht optimalen Bedingungen, zurecht kommen muss.

Zum anderen kann ich mir nur wünschen, dass die Kooperationen zwischen Theater und anderen Kultureinrichtungen aus allen möglichen Sparten, wie sie ja schon mit der Bundeskunsthalle, dem evangelischen und katholischen Bildungswerk und vielen mehr betrieben wird, enger und vielleicht auch mutiger ausgebaut wird. Alles andere, was auf der Bühne oder auch zwischen Publikum und Bühne passieren soll, überlasse ich vertrauensvoll den Händen der Theaterschaffenden.

TH
Das Theater der Zukunft wird so wie es aussieht viel improvisieren müssen und sich auch von alten Konventionen verabschieden müssen. Neue Räume ausprobieren, neue Formate testen alles das wird in Zukunft vermehrt auf dem Plan stehen. Das Kerngeschäft des Theaters sollte dabei aber nicht aus den Augen verloren werden: die Geschichten erzählen, die das Publikum zum Nachdenken anregt und auf gesellschaftlich wichtige Themen hinweist. Aber an Kreativität sollte es ja im Kulturbetrieb nicht mangeln, damit konnte bisher nahezu jede große Veränderung bewältigt werden.

 

Vielen Dank für das Gespräch
Angela Biller Interview, Fotos