Gerti Kunze

Kulissengespräch mit Gerti Kunze

 

liebe Gerti Kunze, 50 Jahre Bühnenjubiläum, 50 Jahre Oper Bonn, auf diese beeindruckende Zahl werden Sie nun im September 2019 zurückblicken können. Herzlichen Glückwunsch!

Was war Ihre Intention sich 1969 als Statistin beim Theater Bonn zu bewerben?  Wie  hat es Ihr Leben bereichert,  beeinflusst, vielleicht auch beschränkt?

GK
„50 Jahre“ habe ich genau am 23. September und war bis jetzt einschließlich bei Dr. Helmich unter insgesamt 8 Intendanten als Statistin tätig.  Beworben habe ich mich nicht. Am 14. September 1969 hat mich der damalige Statistenführer Rolf Herberz gefragt, ob ich als Statistin beim „Prozess“ von  Franz  Kafka mitmachen möchte und am 23. September war die Premiere.

Sie sehen, dass mein erster Auftritt in einem Schauspiel war und nicht bei der Oper. Bis Anfang der 80-ziger Jahre war das Theater Bonn, damals Stadttheater Bonn, ein 3-Sparten-Haus. Oper, Schauspiel und noch mit einem eigenen Tanzensemble war alles am Anfang noch unter Intendant Prof. Karl Pempelfort, dann ein halbes Jahr später unter Hans-Joachim Heyse, unter einem Dach. Wenn ich jetzt an die 70-ziger Jahre zurückdenke, habe ich mehr Statistenrollen im Schauspiel übernommen als in der Oper. Daher auch mein nachhaltiges Interesse für das Schauspiel, das mich bis in den Vorstand der „Freunde des Schauspiels Bonn e.V.“ gebracht hat.

In den 80-ziger Jahren gab es eine Spartentrennung von Oper und Schauspiel und es entstanden die Kammerspiele Bonn unter Peter Eschberg. Wir Statisten mussten uns  entweder  für die Oper oder das Schauspiel entscheiden, da Auftritte parallel nicht möglich waren. Meine Entscheidung viel, inzwischen zum Operfan avanciert, für die Oper.

Einmal dabei gewesen, hat mich das Theater egal ob Schauspiel, Oper oder Ballett nie mehr losgelassen. Es hat mein Leben bis heute ungemein bereichert und geprägt. Meine Liebe später speziell zur Oper hat mich zu Richard Wagner geführt. Ohne seine Musik kann ich mir mein Leben nicht mehr vorstellen. Meine Erfahrungen und Kenntnisse vom Theater und im Kulturbereich kann ich heute im Vorstand von 4 Verbänden/Vereinen  weitergeben. (Freunde des Schauspiels Bonn e.V., Richard-Wagner-Verband Köln e.V., Richard-Wagner-Verband Wuppertal e.V. und LiberArte Bonn e.V.)

2011 wurden von der Uniklinik Bonn Statisten als Schauspielpatienten für Seminare und der Fortbildung für Studierende gesucht. Das  war und ist immer noch eine besondere Herausforderung und diese habe ich meiner langen Erfahrung als Statistin zu verdanken.

An dieser Stelle möchte ich die 8 Intendanten namentlich aufführen, unter denen ich als Statistin tätig war:

Prof. Karl Pempelfort                  Hans-Joachim Heyse                    Jean-Claude Riber          Giancarlo Del Monaco Herr Petersen, Interimsintendant für 1 Jahr                               Dr. Manfred Beilharz                  Klaus Weise      und jetzt Dr. Helmut Helmich . und das hoffentlich noch sehr lange.

 

Steht man als Statist eher am Rande der Bühne oder ist man mittendrin.
50 Jahre wechselnde Intendantenpersönlichkeiten,  Opernstars und  zu Hauptstadtzeiten noch genügend Geld für Kunst und Kultur.  Erzählen Sie ein unvergessliches  Anekdötchen aus  dieser Zeit?

GK

Statisten übernehmen sehr viele Positionen im Verlauf eines Schauspiels oder der Oper, selbst wenn der Chor und Extrachor auf der Bühne ist. Sie werden dort in die Handlung eingebunden, die die Protagonisten nicht erfüllen können. Man steht auf keinen Fall am Rande, sondern ist mitten im Geschehen und es gibt einige Aufgaben zu erfüllen. Z. Bsp. hatte ich vor 3 Jahren in der Oper  „Attila“  von Guiseppe Verdi 9 Auftritte in 3 verschiedenen Kostümen.


Zu Anekdoten: Es gibt sehr viele spannende und auf lustige Situationen, die alle in irgendeiner Art und Weise gelöst werden, ohne dass das Publikum sie so richtig mitbekommt. Z. Bsp. hatte König Philipp in einem Don Carlo seinen Degen vergessen, er sang sich rückwärts bis in die Kulisse und als er ihn dann in der Hand hatte, preschte er wieder in die Szene, um seinem Sohn Don Carlo zu drohen.

Oder: Seit 1995 bin ich in Hänsel und Gretel dabei. Es gibt im 2. Akt den Wald, in dem sich Hänsel und Gretel verirren und wir hatten als Büsche an einer gewissen Stelle die Lichterketten an uns mittels eines Schalters anzumachen. Den muss man vor Beginn in der Hand halten, sonst findet man nicht im „Gebüsch“ (Kostüm), weil wir uns nicht bewegen durften. Genau das passierte, ich fand ihn nicht und der Vorhang ging auf. Ich konnte Anjara Bartz, die den Hänsel sang, noch zuzischen: Finde meinen Schalter. Sie ging um mich herum, um Erdbeeren zu suchen, resignierte und meinte, ihr Einsatz komme gleich…. aber dann ganz plötzlich konnte sie mir ihn noch in die Hand drücken. Schade, wenn ich als einziger Busch im Dunkeln geblieben wäre.

Aktuell bin ich in der kommenden Spielzeit für West Side Story – Premiere 15.9.2019 – und den Rosenkavalier – Premiere 6.10.2019 – gecastet worden. Die Proben dafür begannen bereits vor der Sommerpause und es geht ab Montag bis zu den jeweiligen Premieren weiter.

 

Welche Statistenrolle hat den größten Eindruck bei Ihnen hinterlassen,  verlangte Ihnen besonders  viel ab, oder stieß Sie an Ihre Grenzen?

GK
Diese Frage kann ich aus der Fülle der unzähligen Statistenrollen nur sehr schwer beantworten. Beim Schauspiel kam es einige Male vor, dass ich einen Satz zu sprechen hatte. In meiner Erinnerung hatte ich schon großes Herzklopfen vor jedem Auftritt.

Durch die meist 4 – 5-wöchige Probenzeit bekommt man eine gewisse Sicherheit und wir haben genau wie die Protagonisten am Abend der Premiere das sogenannte „Premierenfieber“,  aber das legt sich dann bei den nachfolgenden Vorstellungen.

Den Herausforderungen aller Rollen habe ich mich stets gestellt. Da gab es keine Grenzen für mich

 

Familie, Berufstätigkeit und nicht genug, hatten Sie noch  ein Ehrenamt als Vorsitzende des  Wagner Vereins inne,  wie bekamen Sie allen unter einen Hut, stießen  Sie mehr  auf Unterstützung  oder Gegenwind?

GK
Da hatte ich großes Glück und es gab keinen Gegenwind. Meine Eltern unterstützen mich sehr und übernahmen abends die Beaufsichtigung meiner Tochter. Berufstätig war ich in der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin im Klinikum Siegburg als Chefsekretärin tätig. Mein Chef sowie meine Kollegen hatten großes Verständnis für meine Leidenschaft als Statistin am Theater. Die allermeisten Proben waren abends angesetzt, nur selten einmal während des Tages. Vorstellungen gab es sowieso ja nur am Abend.

Unter der Intendanz von Hans-Joachim Heyse gab es Gastspiele, die sogenannten Abstecher, nach Solingen, Gummersbach, Ludwigshafen und Luxemburg. Die musste ich dann mit Hilfe meiner Familie organisieren. Den Vorsitz im Richard-Wagner-Verband Bonn/Siegburg hatte ich von 2003 bis 2007 inne. Danach war ich bis 2013 2. Vorsitzende. Diese Doppelfunktion konnte ich gut ausüben, da ich 2004 in den vorzeitigen Ruhestand ging und ich keine größeren familiären Verpflichtungen mehr hatte. Dennoch konnte ich meinen 1976 geborenen Enkel auch bis heute noch auf seinem Lebensweg begleiten.

 

Welche Frage würden Sie sich gerne persönlich stellen und beantworten diese  bitte  anschließend?

GK
Diese Frage kann ich kurz und bündig stellen:
Wie wäre mein Leben ohne das Theater geworden? Unvorstellbar!

 

Danke für dieses Gespräch liebe Gerti Kunze

Angela Biller (FdS)

Foto: Privat
Anprobe für West Side Story in der Köstumabteilung in der Oper